„Nachhaltiges Bauen umfasst ökologische, ökonomische, soziokulturelle, baukulturelle, technische und prozessuale Aspekte. Wir müssen lernen, alle relevanten Nachhaltigkeitsaspekte auf Bauwerksebene mit ihren Wechselwirkungen über den gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks zu betrachten, zu bewerten und entsprechend zu bauen. Technologieoffener Wettbewerb der Baustoffe, Bauweisen und Bauverfahren ist der Schlüssel zum nachhaltigen Bauen. Bestimmte Baustoffe oder -verfahren staatlich festzulegen oder auszuschließen, wird dagegen nicht zum Ziel führen. Es macht mir viel Mut, dass sich auch ohne staatlichen Zwang eine ökologische Revolution im Bauwesen vollzieht. Wiederverwendung, Recycling, nachhaltige Energiegewinnung und Dekarbonisierung stehen im Mittelpunkt vieler innovativer Prozesse, die das Bauen fundamental verändern werden. Eine konsequente Digitalisierung der Bauprozesse ist hierfür Voraussetzung.“
Mit einem klaren Bekenntnis zu mutigen Schritten, hin zu nachhaltigem aber trotzdem marktwirtschaftlich orientiertem Bauen eröffnete Wolfgang Schubert-Raab, Präsident des Landesverbands Bayerischer Bauinnungen am Freitag in Aschaffenburg vor Delegierten der Mitgliedsinnungen des LBB sowie zahlreichen Gästen, zu denen auch der bayerische Bauminister Christian Bernreiter zählte, den Tag des Bayerischen Baugewerbes.
Vor dem Hintergrund kontinuierlich wachsender Aufgaben der Bauunternehmen und einer im ersten Halbjahr intakten Nachfrage nach Bauleistungen, die sich jedoch mit Versorgungsunsicherheiten bei den Baustoffen und stark gestiegenen Einkaufspreisen für Bauprodukte konfrontiert sieht, benannte Schubert-Raab die Herausforderungen, vor denen nachhaltiges Bauen heute steht.
So müsse in den Ausschreibungen der öffentlichen Hand die Produktneutralität für Baustoffe statt festgelegter Baustoffquoten die Regel werden. Die erforderliche Nachhaltigkeitsbewertung von Bauwerken müsse viel einfacher werden. Sie müsse für alle Baubeteiligten transparent, praktikabel und leicht zugänglich sein. „Das zirkuläre Bauen, also die Wiederverwendbarkeit von Materialien, muss endlich Maßstab für den Umgang mit unseren knappen Ressourcen werden. Dazu gehört auch, dass Boden als wertvoller Rohstoff statt als Abfall behandelt wird. Und wir müssen unsere Straßen und Städte viel stärker als „urban mine“ bzw. „road mine“ nutzen. Deshalb sollte die Verwendung von Recycling-Baustoffen für die öffentliche Hand verpflichtend werden.“
Schubert-Raab forderte, auf weitere bauphysikalisch oft nicht sinnvolle Klimaschutzanforderungen bei der Dämmung von Neubauten zu verzichten und stattdessen den Klimaschutz bei der Altbausanierung in den Fokus zu nehmen, wo viel mehr für die Umwelt erreicht werden könne. „Zur sozialen Nachhaltigkeit gehören gerade in Zeiten stark steigender Baupreise auch baupolitische Maßnahmen zur Entlastung von Bauherren. Der von CDU / CSU und FDP vorgeschlagene Freibetrag bei der Grunderwerbssteuer und die im Koalitionsvertrag vereinbarte Erhöhung der AfA von 2 auf 3 Prozentpunkte könnten zumindest für etwas Entlastung sorgen. Vor allem aber müssen wir die Regelungsflut im Bauwesen stoppen. Alle baupolitischen Gesetze, Verordnungen, Richtlinien und Normen gehören auf den Prüfstand. Für geplante neue Regulierungen brauchen wir ein sofortiges Moratorium“, so Schubert Raab.